Plant der Berliner Senat ohne Berlins Genossenschaften? Das Beispiel Osdorfer Straße

Seit in Berlin ein schwarz-roter Senat in Regierungsverantwortung ist, beobachten wir mit Sorge, dass hart erkämpfte Ansätze einer basisdemokratischen, sozial durchlässigen und ökologisch nachhaltigen Stadtentwicklung rückabgewickelt werden.

Tempo 50 kehrt zurück, der ÖPNV wird kaputtgespart und übergeordnete Radwegeverbindungen gestrichen. Auf dem Tempelhofer Feld und im Umgang mit den großen börsennotierten Wohnungsunternehmen werden die Ergebnisse von Volksentscheiden bewusst ignoriert. Mit der Umbenennung der “Wohnraumversorgung Berlin” werden Mitbestimmungsrechte und die Transparenzverpflichtung in den landeseigenen Wohnungsunternehmen wieder geschliffen. Am Molkenmarkt formuliert ein sozial-chauvinistisch argumentierender Stadthistoriker im Auftrag des Senats gestalterische Vorgaben, die die Umsetzung bezahlbaren Wohnraums erschweren werden. Und während stadtweit die Mieten weiter steigen, Zwangsräumungen, Obdachlosigkeit und Verarmung zunehmen, soziale Infrastruktur bröckelt und den Haushaltseinsparungen geopfert wird, spielen politisch Verantwortliche mit Magnetschwebebahnen oder planen Zäune um öffentliche Parkanlagen.

Vielleicht war vor diesem Hintergrund damit zu rechnen, dass auch die ohnehin bereits begrenzten Spielräume gemeinwohlorientierter Bauträger, zu denen die Berliner Genossenschaften zu zählen sind, wieder eingeschränkt werden. In der Tat sendete die Handhabung der Vergabe landeseigener Baugrundstücke zuletzt beunruhigende Signale in die Richtung all jener, die sich in den letzten gut zehn Jahren für eine transparentere und an den sozialen Bedarfen des Gemeinwesens orientierte Liegenschaftspolitik eingesetzt haben.

Den Anfang machten CDU und SPD im Juli, als sie einen Genehmigungsvorbehalt in Anspruch nahmen und einen bereits ausverhandelten Erbbaurechtsvertrag zwischen der Berliner Immobilienmanagement GmbH – zuständig für die Vermarktung landeseigener Grundstück – und der Genossenschaft „Eine für Alle“ ablehnten. Die Eine für Alle eG hatte nach einem öffentlich ausgeschriebenen Konzeptverfahren den Zuschlag für ein Grundstück in der Osdorfer Straße am S-Bahnhof Lichterfelde erhalten, das mit einem Atelierhaus für Künstler*innen bebaut werden sollte. Der Genossenschaft sind aufgrund der Entscheidung nicht refinanzierbare Planungskosten von etwa einer halben Millionen Euro entstanden.

Besonders grotesk ist dieses in den vergangenen 30 Jahren einmalige Vorgehen, weil der Berliner Senat offensichtlich keine alternativen Pläne für die Nutzung des Grundstücks Osdorfer Straße 18/19 verfolgt. Ohne belastbare Begründung und parlamentarische Aussprache erschüttert er stattdessen massiv das Vertrauen in die Seriosität seiner Vergabeverfahren. Denn solange ein durch reine Willkür verursachter betriebswirtschaftlicher Schaden nicht ausgeschlossen werden kann, dürften Konzeptverfahren kaum noch Anziehungskraft ausstrahlen.

Leider ist die Osdorfer Straße kein Einzelfall. Auch in anderen Planungsverfahren drohen Ankündigungen zur Beteiligung gemeinwohlorientierter Akteure an Berlins Stadtentwicklung über Bord geworfen zu werden. Im unserem nächsten Beitrag werden wir deshalb über die jüngsten Ereignisse auf dem Dragonerareal in Friedrichshain-Kreuzberg berichten.