Einstiegshürde Bodenpreise

Genossenschaftsförderung in Berlin: Ein Rückblick vor den Wahlen

 

Seit gut 5 Jahren gibt es die urban coop berlin. Vor knapp 5 Jahren ist eine rot-rot-grüne Regierungskoalition angetreten, um eine Lösung der Krise bezahlbaren Wohnens in Berlin voranzutreiben. Und vor gut 4 Jahren hat sich das “Bündnis junger Genossenschaften” gegründet, um die Politik dafür zu sensibilisieren, dass Genossenschaften nachhaltige Antworten auf die Wohnungsfrage erarbeiten und umzusetzen können. Was ist seitdem passiert? Was hat funktioniert und was könnte besser werden? In knapp 2 Monaten sind Abgeordnetenhauswahlen und damit werden auch die wohnungspolitischen Karten neu gemischt. Zeit für uns, an dieser Stelle in regelmäßigen Abständen Bilanz zur Situation der Genossenschaftsförderung in Berlin zu ziehen und Perspektiven zu entwickeln – durchaus kritisch und genau deshalb im Sinne einer solidarischen Stadtentwicklung.

Nach jahrelanger Vorarbeit und Wissensproduktion durch stadtentwicklungspolitische Initiativen hat sich Berlin 2016 entschieden, landeseigene Baugrundstücke grundsätzlich nicht mehr zum Marktpreis zu privatisieren. Stattdessen werden diese vorzugsweise über Konzeptverfahren vergeben – und sie werden nicht mehr verkauft, sondern im Erbbaurecht langfristig verpachtet.

Trotz Erbbaurecht: Die Grundstücke sind zu teuer

Beim Erbbaurecht werden Grundstück und Gebäude voneinander getrennt und über einen Erbbaurechtsvertrag wieder zusammengeführt. Gegen einen jährlichen Zins erhält die/der Erbaurechtsnehmer*in ein eigentumsähnliches Nutzungsrecht auf dem Grundstück und kann auf diesem Gebäude errichten und langfristig bewirtschaften. Der Vorteil für die öffentliche Hand als Grundstückseigentümerin liegt in der dauerhaften, demokratisch legitimierten Kontrolle und Steuerungsmöglichkeit der Nutzung der Liegenschaft. Der Vorteil für das Bauprojekt und seine Mitglieder liegt darin, dass zum Einstieg weniger Eigenkapital als bei einem Grundstückskauf benötigt wird. Außerdem könnte – den ökonomischen Möglichkeiten gemeinwohlorientierter Wohnprojekte Rechnung tragend – ein sehr niedriger jährlicher Erbbauzins vorab festgeschrieben werden.

Leider ist das kaum der Fall. Bei den wenigen Direktvergaben von Grundstücken wird ein Zins von aktuell 1,8% auf den  Bodenrichtwert aufgerufen. Und in fast allen Konzeptverfahren der BIM ist die Höhe des Erbbauzinses Bestandteil des zu erarbeitenden Angebotes im Wettbewerb. Das bedeutet, dass sich alle Bieter*innen – Konzept hin oder her – (auch) in einem Preisverfahren befinden – sie müssen erklären, mit welchem jährlichen Erbbauzins sie ihr Bauvorhaben umzusetzen gedenken und werden (auch) dafür bewertet. Grundlage für die Höhe des Zinses ist als Bodenrichtwert der Verkehrswert des Grundstückes. Da die Preise auf dem Berliner Bodenmarkt nahezu überall steigen und Verkehrswerte über durchschnittliche Lagewerte auf der Basis von Grundstücksverkäufen in der Umgebung ermittelt werden, bedeutet das: Auch die Verkehrswerte sind hoch und werden weiter steigen, weil sie das Marktgeschehen abbilden.

Das Land Berlin als Grundstückseigentümerin erwartet in der Regel, dass der Erbbauzins über die Laufzeit des Erbaurechtsvertrages mindestens den festgelegten Verkehrswert erwirtschaftet. Das wiederum geschieht dann über die monatlichen Mieten der Genossenschaftswohnungen – neben Betriebs- und Unterhaltskosten, Rücklagenbildung und der Refinanzierung der Baukredite bringen unsere Kostenmieten schließlich auch den jährlichen Erbbauzins auf. So sind wir mit einer grotesken Situation konfrontiert: Für die Folgen einer Stadtentwicklungspolitik, die durch jahrzehntelangen Ausverkauf landeseigener Grundstücke das Entstehen eines hoch spekulativen Bodenmarktes in Berlin entscheidend mit begünstigt hat, müssen auch diejenigen zahlen, die aktiv gegen die Spekulationsspirale arbeiten oder sich ihretwegen keine bezahlbare Wohnung in ihren Kiezen mehr leisten können.

Residualwertverfahren als Alternative

An dieser Stelle müssen wir uns noch einmal vor Augen halten, was der eigentliche Zweck der Konzeptverfahren ist: Sie sollen ein stadtentwicklungspolitisches Instrument sein, um dauerhaft bezahlbare Wohnbauvorhaben mit hoher sozialer Durchlässigkeit und ebenso innovative wie nachhaltige baulich-räumliche Ansätze umsetzen zu können. Die kontinuierlich steigenden Preise auf dem freien Grundstücksmarkt und die amtliche Bemessung der Bodenwerte für landeseigene Grundstücke droht jedoch, diese Zielvorgaben zu konterkarieren, bevor auch nur eine einzige Entwurfsskizze erstellt worden ist.

Schon lange fordern deshalb verschiedene Akteursgruppen und Netzwerke, die sich für einen gemeinwohlorienten Umgang mit städtischen Grund und Boden einsetzen, einen anderen Weg bei dessen Wertermittlung einzuschlagen. Statt sich an einem aus spekulativem Markthandeln resultierenden Verkehrswert zu orientieren, der über den jährlichen Erbbauzins (und damit über die Genossenschaftsmieten) wieder eingespielt muss, sollte bei Grundstücksvergaben für nicht gewinnorientierte und sozial nachhaltige Projektentwicklungen anders verfahren werden. Ausschlaggebend für die Festlegung eines jährlichen Erbbauzinses sollten die Mietenobergrenzen sein, zu denen ein solches Wohnprojekt bewirtschaftet werden muss, um seinen Ansprüchen auf hohe soziale Durchlässigkeit wirklich gerecht werden zu können. Von ihnen ausgehend muss also der Wert für das Grundstück residual definiert werden.

Das Mietshäusersyndikat, die urban coop berlin und andere junge Genossenschaften oder die Initiative Stadt Neudenken, die seit vielen Jahren den Runden Tisch zur Berliner Liegenschaftspolitikorganisiert – sie alle setzen sich für Residualwertverfahren ein, weil diese den Nutzungszweck und Gebrauchswert und nicht die exklusive Marktlogik zur Grundlage von Grundstücksentwicklungen machen. Die politisch Verantwortlichen im Finanz-und Stadtentwicklungssenat sowie die BIM vermitteln jedoch bislang hartnäckig den Eindruck, dass mit Residualwertverfahren gegen geltende Wettbewerbsgrundsätze verstoßen werde und dass Konzeptverfahren für Baugrundstücke dem Vergaberecht unterliegen müssen – ungeachtet der Tatsache, dass das die meisten deutschen Großstädte anders sehen und handhaben.

Das Thema ist umkämpft und wird es bleiben. Wie also wird damit in den Koalitionsverhandlungen nach den Abgeordnetenhauswahlen und in den neu besetzten Senatsverwaltungen umgegangen werden? Wer hat den Mut, hier einen neuen Weg zu beschreiten?