Genossenschaftsförderung in Berlin: Ein Rückblick vor den Wahlen
Seit gut 5 Jahren gibt es die urban coop berlin. Vor knapp 5 Jahren ist eine rot-rot-grüne Regierungskoalition angetreten, um eine Lösung der Krise bezahlbaren Wohnens in Berlin voranzutreiben. Und vor gut 4 Jahren hat sich das “Bündnis junger Genossenschaften” gegründet, um die Politik dafür zu sensibilisieren, dass Genossenschaften nachhaltige Antworten auf die Wohnungsfrage erarbeiten und umzusetzen können. Was ist seitdem passiert? Was hat funktioniert und was könnte besser werden? In knapp 2 Monaten sind Abgeordnetenhauswahlen und damit werden auch die wohnungspolitischen Karten neu gemischt. Zeit für uns, an dieser Stelle in regelmäßigen Abständen Bilanz zur Situation der Genossenschaftsförderung in Berlin zu ziehen und Perspektiven zu entwickeln – durchaus kritisch und genau deshalb im Sinne einer solidarischen Stadtentwicklung.
Nach dem Landesbanken-Skandal Anfang der Nullerjahre wurde der Berliner Liegenschaftsfonds ins Leben gerufen. Seine Aufgabe war es, angesichts der fiskalpolitischen und konjunkturellen Krise des Landes öffentliche Grundstücke und Immobilien zum Höchstpreis zu vermarkten, um so zur Sanierung des Landeshaushaltes beizutragen. Außerdem beschloss die damalige rot-rote Regierungskoalition die Privatisierung der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft GSW (deren Bestände heute der börsennotierten Deutsche Wohnen gehören), sowie den Ausstieg aus der Anschlussförderung im sozialen Wohnungsbau. Was Anfang der Nullerjahre bei hohen Leerstandsquoten in der Stadt noch keine akute Notlage verursachte, hat sich schon bald als eine drastische sozial- und stadtentwicklungspolitische Fehlentscheidung erwiesen. Heute gibt es in der wachsenden Stadt Berlin, die 2011 noch 140.000 Sozialwohnungen besaß, nur noch 97.000 solcher Wohnungen, weil jedes Jahr tausende davon aus der Sozialbindung fallen. In den vergangenen 5 Jahren sind die Angebotsmieten auf dem freien Wohnungsmarkt im stadtweiten Schnitt um 42% gestiegen, und die Versorgungslücke im Segment des bezahlbaren Wohnraums wird immer größer.
Rückkehr der sozialen Wohnraumförderung
Nachdem sie lange Zeit auf marktwirtschaftliches Handeln getrimmt waren, treten Berlins landeseigene Wohnungsbaugesellschaften in dieser Legislaturperiode wieder verstärkt als Akteurinnen der sozialen Wohnraumversorgung in Erscheinung – unter anderem ist es ihre Aufgabe, entsprechend einer 2016 geschlossenen Kooperationsvereinbarung in Neubauvorhaben mindestens 50 % mietpreis- und belegungsgebunden Wohnraum für WBS-Berechtigte zu realisieren. Doch auch andere Bauträger, wie z.B. Genossenschaften, sind aufgefordert, einen Beitrag zum Neubau von Wohnraum für Menschen mit WBS-Berechtigung zu leisten. In fast allen Konzeptverfahren der BIM ist die Erstellung von 30% belegungsgebundenem Wohnraum verbindlich vorgesehen, Wohnraum, der i.d.R. zu Nettokaltmieten von maximal 6,50 €/m2 vermietet werden soll.
Grundsätzlich ist das ein begrüßenswerter Vorstoß. So wird nämlich eine wesentliche Voraussetzung geschaffen, damit mehr gemeinschaftlich verwaltete Wohnhäuser entstehen können, in denen dann auch Menschen mit tatsächlich unterschiedlichen Einkommenssituationen unter einem Dach leben können. Allerdings hat die Sache den ein oder anderen Haken: Es wird einfach nicht genügend von öffentlicher Hand gefördert, damit genossenschaftlich organisierte Gruppen diese sozialpolitisch richtige Forderung auch sinnfällig umsetzen zu können.
Quersubventionierung kann kein Modell sein!
So zeigt sich in den Neubauvorhaben von jungen Genossenschaften in Berlin, die Vorgaben zur Sozialbindung eines Drittels ihrer Wohnflächen einhalten müssen, dass die dafür beantragbaren öffentlichen Fördermittel vor dem Hintergrund rasant steigender Baulandpreise und Baukosten bei weitem nicht ausreichen, um den geförderten Wohnraum auch kostendeckend bewirtschaften zu können. Das hat zur Folge, dass die Mieten für die freifinanzierten genossenschaftlichen Wohnungen zusätzlich angehoben werden müssen, um den geförderten Wohnungsanteil quersubventionieren zu können.
Eine solches Vorgehen ist – so schreibt es das ‘Bündnis junger Genossenschaften Berlin’ in seiner 4-Jahres-Bilanz zur Genossenschaftsförderung – “mit dem genossenschaftlichen Gleichheitsprinzip nicht vereinbar (..) und (führt) zu sehr stark gespreizten Mietspannen innerhalb eines Hauses”. Vor allem aber zeigt sich auch hier eine Problematik, die sich bereits im Zusammenhang mit der spekulativen Entwicklung der Baulandpreise veranschaulichen ließ. Ähnlich wie dort, haben auch hier in besonderem Maße mittelständische Haushalte diejenigen Kosten zu tragen, die aus groben stadtentwicklungspolitischen Fehlern resultieren: Sie finanzieren nicht nur mit ihren Steuern, sondern zusätzlich mit ihrem Wohnungsmieten den Wiederaufbau eines überschaubaren Bestandes an Sozialwohnungen, nachdem der Löwenanteil in den Nullerjahren von der öffentlichen Hand zu Spottpreisen auf den Markt geworfen wurde. Und gleichzeitig freuen sich die Kapitalanleger*innen der Deutsche Wohnen über das Auslaufen von Sozialbindungen in den 60.000 ehemaligen landeseigenen Wohnungen der privatisierten GSW.
Das macht deutlich: Die Förderbedingungen für den gemeinwohlorientierten Wohnungsbau müssen in der nächsten Legislaturperiode deutlich verbessert werden. Und zwar so, das der dringend benötigte Ausbau von dauerhaft gesichertem belegungsgebundenem Wohnraum nicht über Gebühr von denjenigen Stadtbewohner*innen getragen werden muss, die ebenfalls auf bezahlbaren Wohnraum angewiesen sind und deren Auskommen durch Monatsmieten von 15 €/m2 (warm) oder mehr überdurchschnittlich belastet wird.