Ohne (gute) Grundstücke geht es nicht

Genossenschaftsförderung in Berlin: Ein Rückblick vor den Wahlen

 

Seit gut 5 Jahren gibt es die urban coop berlin. Vor knapp 5 Jahren ist eine rot-rot-grüne Regierungskoalition angetreten, um eine Lösung der Krise bezahlbaren Wohnens in Berlin voranzutreiben. Und vor gut 4 Jahren hat sich das “Bündnis junger Genossenschaften” gegründet, um die Politik dafür zu sensibilisieren, dass Genossenschaften nachhaltige Antworten auf die Wohnungsfrage erarbeiten und umzusetzen können. Was ist seitdem passiert? Was hat funktioniert und was könnte besser werden? In knapp 2 Monaten sind Abgeordnetenhauswahlen und damit werden auch die wohnungspolitischen Karten neu gemischt. Zeit für uns, an dieser Stelle in regelmäßigen Abständen Bilanz zur Situation der Genossenschaftsförderung in Berlin zu ziehen und Perspektiven zu entwickeln – durchaus kritisch und genau deshalb im Sinne einer solidarischen Stadtentwicklung.

Die entscheidende Voraussetzung für den Bau genossenschaftlichen, nicht-spekulativen Wohnraums ist der Zugang zu günstigen und gut entwickelbaren Grundstücken. Leider ist damit gleichzeitig auch das derzeit größte Hindernis in Berlin benannt. Denn durch eine jahrzehntelange Politik der Privatisierung landeseigener Liegenschaften zum Höchstpreis hat die öffentliche Hand in Berlin zwischen 1990 und 2016 nicht nur der Grundstücks- und Immobilienspekulation den roten Teppich ausgerollt, sondern ihre eigenen Flächenreserven zur Steuerung einer sozialen Wohnraumversorgung gleichzeitig massiv abgebaut. Hinzu kommt eine enorm beschleunigte Bodenpreissteigerung durch anhaltenden demografischen Zuwachs seit Mitte der Nullerjahre und die kontinuierliche Investition von globalem Anlagekapital in sogenanntes Betongold seit der Weltfinanzkrise 2008: Auf einem Bodenmarkt mit Kaufpreissteigerungen für baureifes Land von im Schnitt mehr als 450% innerhalb von nur zehn Jahren seit 2010 ist es für junge Genossenschaften ohne großes Eigenkapital oder beleihbare Werte nahezu unmöglich, mit renditeorientierten institutionellen Anleger*innen zu konkurrieren.

Endlich mehr Konzeptverfahren – und doch viel zu wenig.

Anders als vielleicht vor zwanzig Jahren sind Junge Genossenschaften in Berlin, die bauen möchten, deshalb heute abhängig von Baulandbereitstellungen zu günstigen Konditionen seitens der öffentlichen Hand. Als die mit der Vermarktung landeseigener Liegenschaften beauftragte BIM Berliner Immobilienmanagement GmbH Ende 2018 (und damit zwei Jahre nach den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus) eine Liste mit 28 Grundstücken erstellte, die für den genossenschaftlichen Wohnungsbau in Frage kommen sollten, sah das tatsächlich auf den ersten Blick nach einer entscheidenden Maßnahme im Rahmen der von Rot-Rot-Grün angekündigten wohnungspolitischen Wende aus.

Rückblickend fällt die Bilanz zur genossenschaftlichen Wohnbauförderung jedoch sehr ernüchternd aus. Wenn im September ein neuer Senat gewählt wird, wird keine einzige genossenschaftliche Neubauwohnung entstanden sein, die auf die Initiative der jetzigen Regierungskoalition und die Konzeptverfahren der BIM zurückzuführen ist. Von der einst veröffentlichten Liste mit 28 Grundstücken wurden in den vergangenen zweieinhalb Jahren lediglich für 10 Grundstücke Vergabeverfahren durchgeführt bzw. befinden sich noch in Durchführung. Keines dieser Projekte wird innerhalb des nächsten Kalenderjahres fertiggestellt sein und aktuell sind nur noch 3 Konzeptverfahren angekündigt – davon 2 ohne Angabe eines Datums.

Von fehlenden Grundlagen und schwierigen Grundvoraussetzungen

Da die BIM nicht proaktiv kommuniziert, warum es mehr als die Hälfte der anvisierten Grundstücke nicht in Wettbewerbsverfahren für den gemeinwohlorientierten Wohnungsbau geschafft haben, können wir meist nur über die Gründe spekulieren. Nachfragen in einzelnen Fällen legen nahe, dass 2018 insgesamt falsche Hoffnungen geweckt wurden, weil wohl zu diesem Zeitpunkt seitens der Ausloberin für die meisten der genannten Grundstücke noch keine ausreichende Grundlagenermittlung vorgenommen worden war, um die Umsetzbarkeit von Konzeptverfahren für den anvisierten dauerhaft bezahlbaren, sozial durchlässigen und programmatisch gemischten Wohnungsneubau zu klären. Das führte dazu, dass auf der Webseite der BIM immer wieder neue Listen auftauchten, auf denen neue Verfahren angekündigt wurden, während andere plötzlich verschwanden. Die angegebenen Zeiträume für die Eröffnung der Verfahren haben sich immer wieder verschoben, Vorhersagen dazu erwiesen sich in der Regel als nicht verlässlich. Insgesamt beeinträchtigten diese Faktoren sowohl unsere betriebsinterne Planung als auch die Mobilisierbarkeit unserer Anwartschaftsgemeinschaft.

Hinzu kommt, dass für den Großteil der tatsächlich ausgelobten Konzeptverfahren gilt, was das Bündnis junger Genossenschaften BjG bereits vor drei Jahren bemängelt hatte: Die Grundvoraussetzungen für die Umsetzung bezahlbaren genossenschaftlichen Wohnraums sind auf den angebotenen Grundstücken schwierig oder schlicht nicht gegeben. Das liegt entweder an den häufig stark lärmbelasteten Lagen, an komplizierten Zuschnitten oder nicht abschliessend geklärten Altlastenrisiken, die erhöhte planerische und architektonische Herausforderungen und zusätzliche Kosten erwarten lassen. Oder es hat mit der geringen Größe der Baugrundstücke zu tun: Da in den meisten Konzeptverfahren vielfältige Anforderungen zur Umsetzung verpflichtender Nutzungen formuliert sind (soziale Infrastruktur, geförderte Wohnungen und/oder Ateliers), lassen sich bei gleichzeitig kleinen Grundstücksgrößen nur wenige Genossenschaftswohnungen umsetzen. Damit wird nicht nur das politische Ziel einer substanziellen Förderung der Errichtung frei finanzierten und preisgebundenen Mietwohnraums verfehlt. Es handelt sich hier auch um einen Wohnkosten treibenden Faktor, denn je weniger Genoss*innen sich die Finanzierung eines Bauvorhabens teilen können, desto größer ist deren individuelle Belastung durch die Höhe der genossenschaftlichen Anteile und der monatlichen Nutzungsentgelte. Deshalb mussten wir uns bei zahlreichen Konzeptverfahren schweren Herzens gegen eine Beteiligung entscheiden.

Es gibt weitere Faktoren, die sich auf die Möglichkeit bezahlbaren genossenschaftlichen Wohnungsbaus negativ auswirken und die soziale Durchlässigkeit in solchen Vorhaben stark einschränken. Dazu gehören die oben angesprochene Bodenpreisentwicklung und der Umgang der öffentlichen Hand mit dieser Thematik. Dazu gehören auch die finanziellen Förderkulissen für den preisgebundenen und gemeinwohlorientierten Mietwohnungsbau. Und dazu gehören Anforderungen und Vorgaben in den Konzeptverfahren selbst. In den nächsten Teilen dieser Reihe werden wir darüber berichten.